Sylter Rundschau, Samstag, 7. Januar 2023

Was die Sylter Tafel einmalig macht

Auch auf der „Insel der Reichen und Schönen“ wächst die Nachfrage

Yannik Burgemeister

Eine ,Tafel Deluxe‘ gibt es hier nicht, obwohl wir auf Sylt sind“, betont Dörte Lindner-Schmidt. Die Vorsitzende der Sylter Tafel setzt sich schon seit deren Gründung vor 25 Jahren für Bedürftige ein. Mit Beginn des Krieges in der Ukraine hat die Nachfrage zu den Ausgabezeiten deutlich zugenommen, stellt sie fest: „Vorher kamen immer rund 50 Menschen, inzwischen sind es meist um die 80.“ Rund die Hälfte der Tafel-Kunden kommt dabei aktuell aus der Ukraine, einen weiteren großen Teil machen Rentner aus.
Dass Menschen auf Lebensmittelspenden angewiesen sind, das passt nicht zum glanzvollen Image der größten deutschen Nordseeinsel. Doch auch auf Sylt gibt es Armut, erklärt Lindner-Schmidt: „Viele arbeiten im Niedriglohnbereich und können sich die steigenden Mieten kaum noch leisten.“ Besonders Senioren seien davon betroffen, aber auch Alleinerziehende, so die Vorsitzende des Tafel-Vereins weiter. „Die Leute, die die Insel am Laufen halten, trifft es oft am härtesten.“
Neben dem insularen Standort machen die Sylter Tafel noch mehr Umstände einzigartig: Anders als sonst üblich, muss bei den Ausgabestellen im Geschwister-Scholl-Weg und der Elisabethstraße niemand nachweisen, dass er für Lebensmittelspenden berechtigt ist. Und das ist auch gut so, findet Lindner-Schmidt: „Wenn wir anfangen würden, Nachweise zu verlangen, dann würden viele nicht mehr kommen, weil sie sich schämen.“ Ohnehin sei die Scham auf Sylt ein ständiger Begleiter für viele Bedürftige: „Das war besonders schlimm während der Corona-Hochphase, als die Menschen außerhalb der Ausgabestelle warten mussten und dabei begafft wurden.“
Auch deshalb gilt für die rund 25 ehrenamtlichen Helfer eine Schweigepflicht. Wer zur Tafel geht, der bleibt anonym und auch die Gründe werden nicht hinterfragt, was für die Vorsitzende besonders wichtig ist. „Wenn zwei oder drei schummeln, ermöglichen wir immer noch 77 bedürftigen Menschen, dass sie sich eine warme Winterjacke kaufen oder mal ins Schwimmbad gehen können.“
Kostenlos kann die Tafel nur bleiben, weil sie auf Sylt reichlich Unterstützung erfährt. Für die Ausgabestellen zahlt der Verein keine Miete und auch den Transporter, mit dem die Lebensmittelspenden von den Supermärkten abgeholt werden, kann die Tafel kostenfrei nutzen. „Die Sylter sind spendabel“, sagt Lindner-Schmidt, „man muss nur lernen, zu fragen.“ Wenn es dennoch mal eng wird mit den Spenden, helfen auch viele Restaurants mit Lebensmitteln aus – dies sei zum Teil in der Hochsaison der Fall, so die Vorsitzende. Hummer, Muscheln oder Kaviar werden aber in keinem Fall in Westerland verteilt.
Rund ein Dutzend Helfer sind bei den Ausgaben dienstags und donnerstags im Einsatz. Für sie ist das Ehrenamt auch ein Ort der Begegnung, erklärt Barbara Marwede-Horn. Die ehemalige Lehrerin hilft seit sieben Jahren gerne mit: „Man spürt die Dankbarkeit bei jeder Ausgabe.“ Sie und die anderen Freiwilligen sitzen vor der Arbeit bei Kaffee und Kuchen zusammen und auch mit den Bedürftigen entwickelt sich zum Teil ein freundschaftliches Verhältnis: „Man kennt sich irgendwann“, so die Pensionärin.


Es fehlt ein Sozialkaufhaus

Genügend Spenden, ausreichend helfende Hände: Die Stimmung bei der Sylter Tafel ist trotz höherer Nachfrage aktuell gelassen. Nur wenige Lebensmittel müssen dazugekauft werden und was von den Bedürftigen nicht abgeholt wird, meistens Restmengen an Gemüse oder Obst, wird an den Tierpark Tinnum gespendet. Einen Wermutstropfen gibt es dennoch für Dörte Lindner-Schmidt: „Es fehlt ein Sozialkaufhaus auf der Insel.“ Gespendete Haushaltswaren oder Möbel könne die Tafel nur begrenzt lagern, weshalb sie viele derartige Spenden ablehnen muss, so die Vorsitzende.

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